Retrospektive Internationale Kurzfilmtage Oberhausen 2005:

Der gefallene Vorhang



Plakat Oberhausen

Katalog: Der gefallene Vorhang
PDF-Datei, Katalogauszug, 73 Seiten, deutsch/englisch, 936kb. Mit Texten von Gulnara Abikeyeva, Mila Bredikhina, Christiane Büchner, Anja Casser, Marcel Schwierin, Irina Shilova.


Das Sonderprogramm 2005 fragt nach dem aktuellen Stand einer Identitätssuche, die 1989 mit dem Fall der Mauer begann. Seit den Menschen der Boden fest gefügter Systeme unter den Füssen weggezogen wurde, hat sich die Suche nach individueller und kollektiver Identität zur zentralen Frage im Osten wie im Westen entwickelt. Und so ist der kurze Film seit den 90er Jahren wesentlich von Individualisierung bestimmt: Das Verhältnis vom Ich zum Anderen wird neu beleuchtet, der Blick nach innen wird zum politischen Blick.
Ausgangspunkt des Programms ist die Sowjetunion. Als Zentralstaat mit über hundert Nationen entwickelte sich dort ein schwieriger, aber fruchtbarer Dialog, der zu einzigartigen Filmkulturen in Regionen wie Armenien, Georgien und Kasachstan führte. Die Themen, die Filmemacher dort vor und nach 1989 verhandelt haben, erweisen sich so als eine Matrix für die Untersuchung gesellschaftlicher Zusammenhänge in der Globalisierung.
"Das Programm versteht sich als Bestandsaufnahme wesentlicher Fragen, die die Kunst an die Gesellschaft seit 1989 stellt", so Kurator Marcel Schwierin. (Pressemitteilung Oberhausen)


"Tatsache war, dass jedes der Programme vor filmhistorischen Entdeckungen nur so strotzte und in der assoziativen Reihung mehr ausloeste als alle Theorie: So staunten etwa die deutschen Filmkunstheroen Matthias Mueller und Christoph Girardet unabhaengig voneinander Baukloetze ueber die seelenverwandte, hochstehende Aesthetik einer sowjetischen Dokumentarfilmentdeckung um ein Weltraumteleskop aus dem Jahre 1966 (Gordoe Smirenije von Pavel Kogan). Schwierin hatte zu dieser ins Mystische gehenden Technikballade die Mueller/Girardet-Arbeit Manuel gestellt, in der technische Detailaufnahmen aus Science-Fiction-Filmen Erinnerungen an die Zukunft wecken. Das Programm war voller solcher Assoziationen und stopfte mehr Bildungsluecken, als man zu besitzen glaubte. Kein etabliertes Festival in Deutschland macht uns die Historizitaet der Medien auf vergleichbare Weise bewusst. Nirgendwo sonst wird mit Filmgeschichte derzeit kreativer umgegangen. Dazu gehoert auch das Oeffnen von Kontextbarrieren." Daniel Kothenschulte, Frankfurter Rundschau, 12.5.2005

"Zuweilen werden die Nebenreihen zu den eigentlichen Hoehepunkten. So geschah es dieses Jahr in Oberhausen. Die themengeordneten, retrospektiven Beitraege der Reihe "Der gefallene Vorhang", eine Nachzeichnung der Geschichte der ldentitaetsfindungen in Ost und West vor und nach dem Mauerfall rechtfertigte allein schon den Besuch. Alexander Sokurovs Werk "Soviet Elegy" etwa zeigt einen so nie gesehenen, angesichts des Zusammenbruchs der kommunistischen Welt von inneren Zweiflen gepraegten Boris Jelzin. Hervorragend auch Vladimir Tyulkins humorvolles Portrait eines selbstbewussten alten Mannes, der seine eigenen Antworten auf die Fragen nach Lebenssinn, Ordnung, Gesetz, Zusammenleben und Menschenwuerde sucht und sie auf seine Weise praktiziert. Tyulkins Film "Povitel much" (Fliegenkoenig) ist eine gelungene Parabel auf die Dialektik zwischen individueller Freiheit und Gesetz. Jeder, der es mit Filmkultur ernst nimmt, wuenscht sich zumindest einmal im Monat eine erreichbare Filmstaette, die von ausgewaehlten Kuatornen bespielt zuimdest vier Stunden lang derart erlesene Filmperlen zeigt, wie sie hier in Oberhausen angeboten wurden." - Dieter Wieczorek, biograph, Juni 2005

Der Vorhang im Fallen - Das festivalpraegende Sonderprogramm wagte den Blick zurueck ueber die Begrenzungen von Mauer und eisernem Vorhang hinweg. Barbara Wurm, Freitag Nr. 19, 13.05.2005


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